Mittwoch, 8. November 2006

Baustein 1

Heinz Gralki
Diplom- oder Masterarbeiten
Baustein 1: Allgemeine Anforderungen, Bezug zur eigenen Wissenschaft
1. Allgemeine Anforderungen
Bis vor kurzem haben fast alle Studenten der Soziologie, aber auch viele Studenten in anderen Fächern, ihr Studium mit einem Diplom abgeschlossen. Bis vor kurzem war das Diplom der häufigste akademische Abschluss in Deutsch-land.
Diese Situation hat sich drastisch verändert. Das Diplomstudium wird es nur noch begrenzte Zeit in Deutschland geben. Es wird durch ein Bachelor- bzw. Masterstudium abgelöst. Dies ist das Ergebnis des Bologna-Prozesses. Damit bezeichnet man die – rechtlich unverbindliche - Übereinkunft europäischer Länder zur Vereinheitlichung von Studiengängen.
Um das begehrte Diplom zu bekommen, legen Studenten mündliche und schriftliche Prüfungen ab, schreiben eine Diplomarbeit und erhalten dann eine Urkunde, das Diplom. Mit dieser Urkunde dürfen sie sich dann z.B. Diplom-soziologe nennen, diesen Titel auch ganz offiziell benutzen und ihrem Namen als Ergänzung hinzufügen – der Titel wird allerdings nicht - wie der Doktortitel - in offizielle Personaldokumente, wie Personalausweis oder Führerschein, eingetragen. Sie können ihn jedoch auf ihr Briefpapier oder ihre Visitenkarten drucken.
Der Titel ist geschützt, und Missbrauch wird bestraft.
Das Wort “Diplom“ ist griechischen Ursprungs und bedeutet “Urkunde“. Seit dem 11. Oktober 1899 ist das Diplom ein offizieller akademischer Grad. Er wurde durch kaiserlichen Erlass von Kaiser Friedrich Wilhelm II zunächst an den Technischen Hochschulen in Deutschland eingeführt.
Der Diplomabschluss – anders als der Magisterabschluss oder die Promotion – sollte sich eigentlich immer auf ein klar umrissenes Berufsbild eines akademischen Berufes beziehen, also immer einen engen Praxisbezug haben. Dies ist nicht immer und überall allen Lehrenden und Lernenden an Universitäten klar.
Der Übergang von der bewährten - wenn auch verbesserungsbedürftigen - Diplomstudienstruktur zum teuren, büro-kratisch aufwändigen und längst noch nicht bewährten Bachelor- und Masterstudiengang hat allerdings keine Aus-wirkung auf diesen Text, den Sie gerade lesen. Was für Diplomarbeiten gilt, gilt auch für Masterarbeiten: beide sind in der Regel die erste umfangreiche wissenschaftliche Arbeit, in der Studierende ein Thema intensiv, umfangreich, mit wissenschaftlichen Mitteln, sowie weitgehend selbständig bearbeiten. Die meisten Überlegungen dieses Textes beziehen sich aber auch auf andere wissenschaftliche Abschlussarbeiten im sozialwissenschaftlichen Bereich.
Bei der Masterarbeit wird etwas stärker betont, dass es sich um eine betreute Arbeit handelt. Ob das reale Auswirkungen auf die Betreuung haben wird, kann noch nicht beurteilt werden.

2. Der Bezug zur eigenen Wissenschaft
Eine Selbstverständlichkeit vorweg: Eine soziologische Diplomarbeit muss einen soziologischen Bezug haben.
Das ist leicht gesagt, aber nicht immer leicht zu verwirklichen.
Wo ist z.B. der soziologische Bezug, wenn eine Studentin eine Arbeit über Schönheitsoperationen oder Britney Spears schreibt? Die Klassiker der Soziologie machen es uns auch nicht gerade leicht. So hat z.B. Georg Simmel Aufsätze über den Henkel (den an der Tasse), das Jodeln und die Alpen geschrieben und der große Soziologe Max Weber war gar kein Soziologe, sondern Ökonom.
Die Abgrenzung zu politologischen, erziehungswissenschaftlichen, psychologischen und manchmal auch ökono-mischen Arbeiten, ist manchmal schwer. Wenn Sie sich nicht sicher sind, sollten Sie Ihr Vorhaben in der Frühphase – also in der Phase der Themenfindung - recht intensiv mit Ihrem Betreuer besprechen. Das bringt zwar auch nicht immer eine verlässliche Lösung, denn manchmal hängt die Beurteilung dieser Frage auch von der persönlichen und subjektiven Einstellung Ihres Betreuers ab. Ihr Betreuer wird seine Grundüberzeugung, was Soziologie ist, nicht bis zur Erstellung seines Gutachtens ändern.
Hier jedoch ein abstrakter Hinweis:
In der einen oder anderen Form muss Ihre Arbeit
• sich auf soziales Handeln beziehen,
• sich auf eine soziologische Theorie oder Theorien beziehen oder sich mit
• anerkannten Vertretern der Soziologie befassen
Hilfreich ist es in jedem Fall, wenn Sie sich an Max Webers Definition des sozialen Handelns orientieren.
Nicht nur das Thema sollten Sie ganz zu Beginn mit Ihrem Betreuer absprechen, sondern auch den Umfang der geplanten Arbeit. Es kommt nur ganz selten vor, dass dem Betreuer eine Arbeit zu kurz ist, meist ist sie zu lang und zu lange Arbeiten sind meist ein Hinweis darauf, dass es dem Autor der Arbeit nicht gelungen ist, eine prägnante, schlüssige Argumentation zu entwickeln. Vielleicht fehlte ihm die Zeit dazu. Ein Zusammenhang ist jedoch deutlich: je weniger Zeit Ihnen für das Schreiben zur Verfügung steht, umso mehr Seiten hat Ihre Arbeit. Goethe hat dies sehr prägnant in einem Brief an seinen Freund Schiller formuliert:
“Lieber Freund, entschuldige den langen Brief, ich hatte keine Zeit für einen kürzeren“
Was ist nun kurz und was lang?
Diplomarbeiten, die ich betreue, haben meist einen Umfang von ca. 180.000 Zeichen (mit Leerzeichen). Das sind ungefähr 80 Seiten. Und wenn Ihre Arbeit 10% länger oder kürzer ist, so ist das belanglos. Deckblatt, Literaturver-zeichnis und Anlagen werden übrigens nicht mitgerechnet.
Nicht nur die Länge der Arbeit ist ein Problem, auch der eigene Anspruch an den Text.
Bitte bedenken Sie eines: Diplom- und Masterarbeiten sind Gesellen- und keine Meisterstücke.
Konkret bedeutet das, dass Sie Ihre Fähigkeit zeigen sollen, vernünftig mit wissenschaftlichen Methoden und Regeln umzugehen. Erst bei der Doktorarbeit wird später von Ihnen erwartet, dass Sie neues Wissen schaffen – also forschen können.
So klar diese Zweiteilung auch erscheint, in der Wirklichkeit überschneiden sich diese beiden Qualifizierungsarbei-ten, weil viele Autoren von Diplomarbeiten ein großes Bedürfnis haben, mit ihrer Arbeit einen signifikanten und be-achtlichen Beitrag zur Soziologie oder zur Aufklärung der Gesellschaft zu leisten. Sie haben den Wunsch Wichtiges, leider bisher Ungesagtes, zu Papier zu bringen. Einen solchen, angesichts der Lage der Welt durchaus verständ-lichen Wunsch sollten Sie aber bis zur Doktorarbeit aufschieben.
Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden Qualifizierungsarbeiten besteht z.B. rein formal darin, dass Dok-torarbeiten grundsätzlich veröffentlicht werden, Diplomarbeiten jedoch nicht. Ihre Diplomarbeit wird fast nur von Ihren Betreuern gelesen und dann fristen sie ein trauriges Dasein in den Stahlschränken der Institutsbibliotheken.
Inhaltlich lassen sich drei Arten von Diplomarbeiten unterscheiden
 theoretische
 empirische und
 praktische
Aber auch diese Aufteilung ist nicht trennscharf. Sie beschreibt eher die Schwerpunkte von Arbeiten.
Eine empirische Arbeit – also eine Arbeit, die sich auf Befragungen, Interviews oder Inhaltsanalysen bezieht - ist ohne Berücksichtigung von Theorie nicht möglich. Und damit ist nicht nur die Theorie der verwendeten Instrumente und der Datenverarbeitung gemeint.
Eine theoretische Arbeit hingegen gewinnt immer an Qualität, wenn man sie mit empirischen Elementen anreichern kann und das ist heute leichter als je zuvor, denn noch nie hatte man einen so schnellen und problemlosen Zugang zu empirischen Daten – oder kann man diese sogar selbst ohne großen Aufwand erheben.
Eine praktische Arbeit dagegen hat immer auch einen theoretischen Teil – im Mittelpunkt steht ein Projekt, ein Er-fahrungsbericht oder ein Praktikum. Es kann sich z.B. um “knowledge-sharing“ europäischer Firmen in asiatischen Staaten handeln oder ein Praktikum in Ramallah zur Zeit der Intifada.
Im Mittelpunkt jeder Arbeit steht die gedankliche Durchdringung des Stoffs, die theoretische Fundierung der Arbeit, sowie die Angemessenheit der textlichen Darstellung. Hinzukommen muss der Nachweis, dass man die Regeln wissenschaftlicher Publikation beherrscht.
Jeder Gutachter wird ein besonderes Augenmerk auf die angemessene Bearbeitung des Themas legen. Es geht ihm um die vernünftige Argumentation zum Thema und die korrekte Verankerung dieser Argumentation mit der Literatur. Das heißt jedoch nicht, dass auf die Erfüllung der formalen Anforderungen kein Wert gelegt wird. Eine for-mal inkorrekte Arbeit kann nicht überzeugen. Ich habe noch nie eine inhaltlich glänzende Arbeit erlebt, die formal ungenügend war. Das gleiche gilt umgekehrt.
In der Diplomarbeit soll der Studierende zeigen, dass er in der Lage ist, ein Thema selbständig wissenschaftlich, d.h. vernünftig zu bearbeiten. Die zentralen Probleme des Themas müssen erkannt und dargestellt werden. Dabei ist es unerlässlich, den Gegenstand der Untersuchung genau festzulegen, zu definieren und eine klare Eingrenzung des Themas vorzunehmen.
Ebenso wichtig ist es, die zentralen Begriffe der Arbeit zu definieren bzw. sich über die üblichen Definitionen von Be-griffen, wie sie in der Literatur zu finden sind, im Klaren zu sein. Zu Beginn der Arbeit reicht da sicher das Nachschlagen bei Wikipedia. Im weiteren Verlauf der Arbeit reicht das allerdings sicher nicht.
Jede Diplomarbeit verlangt ein hohes Maß an Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Unter Betreuung einer Diplomarbeit ist nicht zu verstehen, dass jeder Teil der entstehenden Arbeit dem Betreuer zur Begutachtung vorge-legt wird.
Sie selbst tragen die Verantwortung für die Ihre Arbeit!
Dafür ist es notwendig, dass Sie sich mit aktueller Literatur zu Ihrem Thema selbständig auseinander setzen und hierzu auch die aktuelle Literatur – auch in Zeitschriften - verfolgen. Internet, google und Wikipedia sind heute nicht mehr, wie noch vor einigen Jahren, verpönt - aber sie ersetzen (noch) nicht die Lektürearbeit in Bibliotheken.
An englischsprachiger Literatur kommen Sie wahrscheinlich auch nicht vorbei.

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Sehr geehrte Frau Hauk, gibt es schon eine Veröffentlichung...
Renate Haas - 17. Aug, 16:15
schon erhältlich??
liebe Fr. Hauke, ich sehr an ihrer Diplomarbeit interessiert...
mariamaria - 12. Feb, 11:22
Also könnte meine Frage...
Also könnte meine Frage lauten "Wie lässt sich Qualitätsmanagement...
eike.wilinski - 19. Nov, 21:11
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Nimm doch einfach als Forschungsfrage: Taugt Qualitätsmanagement...
Christiane Hauk - 17. Nov, 12:14
Qualitätsmanagement in...
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor und wettbewerbsentscheidendes. ..
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